Davongekommen? – 1. FC Nürnberg – Hertha BSC 2:2 (1:0)
Vor Wochenfrist haben die hochgeschätzten Kollegen von „Clubfans United“ das Remis in Hoffenheim im Hinblick auf den„Torklau“ treffend als 2:3-Unentschieden beschrieben. War also nun das 2:2-Unentschieden gegen die Hertha dementsprechend ein 2:1-Unentschieden? Eingedenk des strittigen Elfmeters zur Berliner 2:1-Führung und des sehr glücklich abgefälschten Ausgleichstreffers der Hertha zum 1:1 könnte man zu diesem Schluss kommen. Man würde den Fokus der Betrachtung damit weg von der Mannschaft nehmen und in Richtung des Schiedsrichters hinbewegen. Doch käme die Mannschaft, die nach der Pause zu wenige offensive Ideen auf den Rasen brachte, nicht zu einfach davon?
Einerseits ja. Schließlich hat nicht Schiedsrichter Winkmann einen ungeschickten Zweikampf im Strarum geführt – das war Javier Pinola – ebenso wenig hat er einen völlig ungefährlichen Schuss von Sami Allagui unhaltbar mit der Brust ins Netz gelenkt – das war Berkay Dabanli – und er hat auch nicht mehr als 40% weniger Pässe im Angriffsdrittel nach dem Seitenwechsel gespielt – das war die gesamte Mannschaft.
Andererseits nein, denn der unüberhörbare laute Unmut im Stadion kam nicht ganz von ungefähr. Zu oft war Daniel Ginczek im Luftkampf unfair attackiert worden ohne, dass die Pfeife ertönte, zu oft waren 50:50-Entscheidungen gegen den FCN gefällt worden. Spätestens nachdem Alexander Baumjohann nach einer vermeintlichen Tätlichkeit gegen Javier Pinola nicht vom Platz gestellt wurde, war der Eindruck auf den Rängen verfestigt, dass hier im Zweifel für die Hertha gepfiffen würde. Wirklich überraschend war daher die Reaktion des Publikums auf den Elfmeterpfiff in der 78. Minute, es witterte auch hier eine Übervorteilung der Gäste. Dabei war diese Situation auch nur eine dieser 50:50-Entscheidungen, eben ein klarer Kann-, aber kein Muss-Elfmeter.
Nun spricht es für den Willen und den Geist der Mannschaft, dass sie sich selbst von diesem Rückschlag nicht aus der Bahn werfen ließ und wie schon in Hoffenheim nach einem Rückstand erneut Punkte holte. Eine Qualität, welche die Mannschaft erst unter Leitung von Wiesinger/Reutershahn erlernt hat: Zum dreizehnten Mal geriet der Club unter ihrer Leitung in Rückstand, zum achten Mal sprangen noch Punkte am Ende raus. Zum Vergleich, in den letzten dreizehn Spielen, in denen das Team unter Dieter Hecking in Rückstand geriet standen am Ende nur ganze zwei Spiele mit Punktgewinn. Insgesamt ging das Team unter dem Vorgänger des jetzigen Trainerteams nur elf Mal in drei Jahren nach Rückstand noch mit Zählbarem von Platz. Es spricht vieles dafür, dass das Team tatsächlich einen Mentalitätswandel durchlaufen hat.
Was aber auch unter den jetzigen Trainern noch nicht abgestellt wurde, ist das Phänomen der zwei völlig unterschiedlichen Halbzeiten. Wie schon in Hoffenheim war die Mannschaft auch gegen Berlin nach dem Seitenwechsel nicht wiederzuerkennen. Doch während das im Auswärtsspiel noch unter „positive Veränderungen“ zu verbuchen war, war gegen Hertha nun das Gegenteil der Fall. Der ganze Offensivgeist, die technischen Finessen und die Ballsicherheit waren plötzlich wie weggeblasen. Stattdessen blieb nun die Offensive vieles schuldig, erspielte kaum noch Chancen und konnte nur durch einen Standard den späten Ausgleich erzielen.
So stand am Ende das gleiche Ergebnis wie in der Vorwoche zu Buche und betrachtet man die Ergebnisse der Gegner entweder vor (Hertha gegen Frankfurt) oder nach (Hoffenheim in Hamburg) der Partie mit dem Club so kann man durchaus zu dem Schluss kommen, dass da ein Mannschaft auf dem Feld steht, die mithalten kann, die schwer zu schlagen ist, die offensiv variabler als im Vorjahr ist, die defensive Ordnung aber noch finden muss, die sich im Angriff mit Ginczek und Drmic qualitativ verstärkt hat, gleichzeitig aber auf den defensiven Außen noch starken Verbesserungsbedarf hat. Es sieht nach den ersten Spielen nach einer weiteren Saison im Mittelfeld aus, doch für eine gesicherte Prognose ist es natürlich noch zu früh.