Die eigenen Waffen – 1. FC Nürnberg – Hannover 96 1:2 (0:2)
Vor Wochenfrist wurden der Mannschaft des 1. FC Nürnberg mehrere Komplimente zuteil. Taktisch diszipliniert, aggressiv, stets präsent, eiskalt die Torchancen nutzend, hieß es, sei das Team gewesen. Nach dem ersten Heimspiel der Saison kann man diese Attribute erneut auspacken; allerdings für den Gegner. Hannover 96 war in den neunzig Minuten nicht wirklich besser, aber deutlich effektiver. Effektiver darin, die individuellen und kollektiven Fehler des FCN auszunutzen und effektiver darin die eigenen Chancen zu verwerten.
So wussten die Gäste bei ihrem Führungstor genau mit ihrem Freiraum nach der schnellen Ausführung eines Einwurfs umzugehen, Chahed warf schnell ein, ließ im Doppelpass mit Schmiedebach Pinola aussteigen, in der Mitte entwischte Abdellaoue den Innenverteidigern Klose und Wollscheid und traf aus fünf Metern freistehend. Es war Hannovers erste Tormöglichkeit, die sie sofort zu nutzen wussten. Der FCN wusste dies nicht denn zuvor hatten Pekhart und Klose Möglichkeiten für den FCN vergeben. Das Tor für Hannover fiel, obwohl der Glubb in der ersten Viertelstunde den fitteren, den aktiveren Eindruck gemacht hatte. Doch mit dem Gegentor ging jeglicher Spielfluss verloren.
Heckings Idee, die offensiven Außen im Vergleich zum Spiel in Berlin neu zu besetzen und Mak und Esswein für Eigler und Mendler zu bringen, war durchaus verständlich. Über die Geschwindigkeit der jungen Außen sollten die Hannoveraner unter Druck gesetzt werden. Doch dies gelang in der gesamten ersten Halbzeit jedoch nur ein einziges Mal, als sich Esswein auf links durchsetzte und den Ball in Richtung Pekhart brachte. Ansonsten jedoch blieben beide Offensiv-Akteure auf den Außenbahnen vieles schuldig. Es war nicht verwunderlich, dass weder Mak noch Esswein das Spielende auf dem Platz erlebten.
Dieses Schicksal ereilte auch Almog Cohen, der trotz der in der Presse geführten Scheindebatte über seinen Startelfplatz, erneut von Beginn an spielen durfte. Der Israeli wurde zur Pause, als es bereits 0:2 stand, Opfer einer Systemumstellung. Dieter Hecking stellte nach dem Seitenwechsel von einem 4-2-3-1 auf ein 4-4-2 mit Raute um. Die Gäste hatten ungefähr fünfzehn Minuten Probleme mit dieser Umstellung. Es war also fast zwangsläufig, dass der Treffer des Glubb genau in diese Phase fiel.
Wie schon in Berlin hieß der Torschütze Tomas Pekhart. Der Tscheche macht somit Hoffnung darauf, dass mit ihm ein Knipser verpflichtet wurde, den jede Mannschaft brauchen kann. Doch der 22-Jährige fiel nicht nur durch sein Tor auf, sondern auch dadurch, dass er immer wieder versuchte Bälle mit dem Rücken zum Tor anzunehmen und zu verteilen. Auch wenn ihm dies auf Grund des aggressiven Nachsetzens der Hannoveraner nicht immer gelang war Pekhart das Bemühen stets anzumerken. Einzig die Tatsache, dass er nach dem Forechecking gegen Torwart oder Innenverteidiger zu langsam aus dem Abseits zurückkehrte, schmälerte den positiven Eindruck.
Ein positiver Eindruck, den sonst zu wenige der Spieler hinterließen. Besonders auffällig war, dass die Passsicherheit sich im Vergleich zum Spiel in Berlin deutlich verschlechtert hatte, ein Viertel der Bälle kam nicht beim Mitspieler an. Hinzu kamen viele Bälle, die so unpräzise waren, dass sie erst im Nachfassen oder durch Tempoverringerung zu spielen waren. Besonders Markus Feulner und Timmy Simons taten sich negativ durch derartiges Passspiel hervor. Dass dies nicht allein entscheidend für die Niederlage war, zeigt die Tatsache, dass Hannover sogar 40% der Pässe nicht an den Mann brachte.
Für ihren zweiten Treffer hatten die Niedersachsen ja auch nicht einmal einen präzisen Pass gebraucht. Es genügte ein harmloser Schuss von Lars Stindl, den Raphael Schäfer – den ganzen Nachmittag über kein sicherer Rückhalt – unnötigerweise prallen ließ. Den Abpraller nahm Abdellaoue, der Torschütze zum 0:1, auf, Schäfer stürmte ihm entgegen und räumte ihn ungestüm ab. Schiedsrichter Fritz zeigte folgerichtig auf den Punkt, Rausch verwandelte.
Dieser Berg von zwei Toren Rückstand war dann über die restlichen 60 Minuten zu hoch, um ihn noch zu erklimmen. Nicht nur aus den bereits genannten Gründen, sondern auch weil die Mannschaft nach dem Rückstand seltsam nervös und unruhig wirkte. Egal, ob die erfahrenen Spieler wie Simons und Feulner oder die Youngster wie Esswein und Wollscheid, keiner wusste so recht mit der Situation umzugehen, alle wirkten verunsichert und fahrig.
Wenn die Saison ähnlich ruhig verlaufen soll wie im Vorjahr, dann muss der Umgang mit Rückschlägen sich ändern. Er darf sich nicht auf ein systembedingtes Aufbäumen von fünfzehn Minuten beschränken; nur dann kann man der Mannschaft öfter Komplimente wie nach dem Spiel in Berlin machen und muss sie nicht an den Gegner verteilen.