Ein bittersüßer Punkt – SV Werder Bremen – 1. FC Nürnberg 1:1 (0:0)
Schwieriger als die Einordnung des 1:1 in Bremen dürfte in diesen Tagen nur das Aussuchen der passenden Weihnachtsgeschenke fallen. Das Schiedsrichtergespann um den sonst sehr umsichtigen Manuel Gräfe hatte für die Bremer zumindest ein passendes Geschenk gefunden. Ein Abseitstor zwei Minuten vor Abpfiff. Genau diese Tatsache macht auch die Bewertung des letzten Club-Spiels des Jahres 2012 so schwer. Denn dem Spielverlauf nach wäre auch ein 5:2 für die Bremer nicht unverdient gewesen. Was überwiegt also? Der Ärger über die geraubten zwei Punkte? Oder die Freude trotz Unterlegenheit gepunktet zu haben?
Beides unter einen Hut zu bringen ist schwierig, gerade weil schon im vorangegangenen Auswärtsspiel ein Abseitstor für die Entscheidung zu Ungunsten des FCN gesorgt hatte. Noch dazu war dem Tor eine ähnlich offensichtliche Abseitsstellung vorausgegangen. Der Ärger der Spieler, der sich sowohl nach dem Tor als auch dem Schlusspfiff entlud, ist also ebenso nachvollziehbar wie die ersten wütenden Reaktionen der Fans. Andererseits waren eben der 1. FC Nürnberg über weite Strecken des Spiels derart unterlegen, dass selbst Dieter Hecking nach dem Spiel nicht so recht wusste, wie er seine berechtigte Empörung mit der Bewertung des Spiels in Einklang bringen sollte.
Er entschied sich dafür den Bremer Punkt als verdient zu bezeichnen. Er hätte auch die Formulierung wählen können, dass der Punkt für den Glubb in seiner Entstehung unglücklich gewesen sei, vom Spielverlauf her aber glücklich. Es war einzig Raphael Schäfer, der seine Mannschaft mit mehreren hervorragenden Paraden im Spiel hielt. Gegen de Bruyne blieb er zweimal Sieger, rettete gegen Elia, Prödl und Nilssons verunglückte Rückgabe. Sechzehnmal durften die Bremer von innerhalb des Strafraums schießen, weitere zehnmal von außerhalb. Und doch konnten sie Raphael Schäfer nur aus Abseitsposition überwinden.
Die offensive Überlegenheit der Bremer deutet auf ein Problem hin, das bei genauerer Betrachtung offensichtlich wurde. Die Nürnberger Defensive war außerordentlich zweikampfschwach. Die vier Verteidiger gewannen in der eigenen Hälfte nur 55% ihrer Zweikämpfe. Chandler und Nilsson lagen mit jeweils nur 50% sogar noch unter diesem Wert. Die schnelle, technisch starke Spielweise der Bremer sorgte für einige Probleme in der Nürnberger Hintermannschaft, das flache Passspiel der Gastgeber überforderte die Defensive des Clubs einige Male.
Doch auch die Offensive war eigentlich nicht wesentlich besser. Gerade in der ersten Halbzeit fand die Offensive des FCN quasi überhaupt nicht statt. Ein abgefälschter Schuss von Pinola war die einzige Halbchance der Gäste. Zu fahrig und ungenau war der Spielaufbau. Nach der Pause änderte sich dies wenig – die Passquote fiel sogar noch von schwachen 75% vor der Pause auf desaströse 69% nach der Pause. Doch das Spiel wurde dennoch etwas gefährlicher, auch weil Dieter Hecking den anscheinend immer noch grippegeschwächten Hiroshi Kiyotake auswechselte.
Für ihn kam Robert Mak. Der Slowake gewann zwar nicht wesentlich mehr Zweikämpfe als der Japaner (vier von elf, gegenüber drei von zehn), er wirkte aber gefährlicher, da er nicht nur die zweite von drei Nürnberger Chancen in der zweiten Halbzeit hatte, sondern auch den Führungstreffer einleitete. Hier bewies der Slowake Durchsetzungsvermögen, spielte den Ball trotz zweimaligen Fouls weiter zu Javier Pinola, der sah Timo Gebhart, welcher den Ball unhaltbar ins Tor schlenzte. Ein Treffer, der den Spielverlauf auf den Kopf stellte.
Genau diese Tatsache schien die Bremer zusätzlich zu motivieren schien. Denn mit dem Wiederanpfiff begann eine zehnminütige Barrage des Nürnberger Gehäuses, die in besagtem Abseitstor endete. Ein Tor, das mit etwas weniger Panik und etwas mehr Ordnung hätte verhindert werden können. So aber landete der Befreiungskopfball von Klose bei de Bruyne. Dieser schoss und der im Abseits stehende Petersen lenkte den Schuss unhaltbar ins Netz. Der Rest ist bekannt: Aufregung, Proteste, Empörung und die Frage nach der Bewertung.
Und so wie das Weihnachtsgeschenk für die Liebsten möglicherweise nicht völlig passend ist, so ist auch keine Bewertung des Spiels so völlig passend. Die völlige Empörung ist zu emotional, die völlige Genugtuung zu rational. Es bleibt ein bittersüßer Punkt, am Ende einer bittersüßen Hinrunde. Einer Hinrunde, in der man mehr Punkte geholt hat, als die beiden Mannschaften auf den Abstiegsrängen zusammen. Zumindest das lässt einen hoffnungsvoll verkünden: Frohe Weihnachten und ein gutes neues Jahr!