Ein durchschnittliches Spektakel – 1. FC Nürnberg – TSG Hoffenheim 4:2 (2:1)
Wer die Wüste durchquert, dem erscheint auch ein trübes Rinnsal als lebensrettend. Wer wochenlang Fußball zum Abgewöhnen sieht, der sieht auch ein durchschnittliches Spiel als Spektakel. Nicht mehr (aber auch nicht weniger) als Durchschnitt war der 4:2-Erfolg des FCN am Mittwochabend gegen Hoffenheim; er erschien aber im Vergleich zum nur mit Mühe als Fußballspiel erkennbaren Derby in Fürth wie ein Schauspiel erster Güte. Dies lag zum einen an den sechs Toren, zum anderen aber auch an einem Spieler, der tatsächlich ein Spektakel lieferte: Hiroshi Kiyotake.
Der Japaner begeisterte mit seiner Ballbehandlung, selbst schwierigste Bälle nahm der 23-Jährige souverän an, geradezu kleben blieb die Kugel an seinem Fuß in mehreren unmöglichen Situationen. Auch wenn ihm nicht alles gelang, sein Tor, ein horizontales Solo unter Miteinbeziehung von Almog Cohen, war die angemessene Krönung seines herausragenden Abends. Es zeigte Beweglichkeit und Augenmaß am Ball und großartiges Raumbewusstsein ohne ihn. Schon vor der Pause hatte der japanische Wirbelwind eine ähnliche Situation erspielt, am Ende fehlte ihm nur die Kraft im Abschluss. Wäre dies gelungen, er hätte früh sein Tor erzielt gehabt und mit einem 2:0 auch früher für Sicherheit gesorgt.
Sicherheit beim Publikum, das durch die ungewohnte – aber sachlich berechtigte – Stille in den ersten zwölf Minuten auch in der Folge nie wirklich ins Spiel fand. Sicherheit bei der Mannschaft, die nach dem frühen 1:0 durch Rudys Eigentor nach Kiyotakes Freistoß nicht so recht wusste, was sie jetzt mit der Führung anfangen sollte. Zu schnell ließen sie den Hoffenheimern zu viel Platz, waren dann zu weit weg vom Gegenspieler und tolerierten Pässe auf die Außenbahnen. Hier trafen Hoffenheimer Stärke – mehr oder minder die einzige an diesem Abend – und chronische Nürnberger Schwäche aufeinander. Es war daher folgerichtig, dass über diese Außenpositionen auch der Ausgleich fiel.
Das Tor durch Schipplock machte deutlich, wo die defensive Anfälligkeit in diesen Tagen liegt: Bei Timothy Chandler und Javier Pinola. Beide schwächeln seit Wochen in der Defensive. Pinola durchaus mehr als Chandler, obwohl das Gegentor über Chandlers Seite fiel. So hatte der Argentinier gegen Hoffenheim zwar keinen krassen Fehler, der zu Tor oder Torchance führte – wie in den beiden Derbys; seine fehlende Passgenauigkeit war aber dennoch immer wieder ein Unsicherheitsfaktor. Mit 32 Prozent Fehlpässen lieferte Pinola den zweitschlechtesten Nürnberger Wert nach Sebastian Polter.
Der Angreifer brachte nur acht seiner achtzehn Pässe an den Mann und hatte auch sonst ein Spiel, in dem er eher durch Unsicherheiten in der Ballannahme auffiel als durch spielerisches Geschick. Hätte er nicht Marvin Comppers eklatanten Fehler souverän ausgenutzt, es wäre ein ganz schwaches Spiel der Wolfsburger Leihgabe gewesen. Es wäre ein Spiel gewesen, das verdeutlicht, warum sich der FCN mit dem Toreschießen eigentlich so schwer tut. Er tut dies, weil in vorderster Front die spielerische Komponente fehlt, weil die Fähigkeit Bälle zu verarbeiten nicht ausgeprägt genug ist. Da Polter aber den Ball von Compper serviert bekam, ist die Analyse zwar zutreffend, nicht aber dringend. Der 21-Jährige verhinderte die Dringlichkeit dadurch, dass er tat, was ein Stürmer tun muss, nämlich Chancen verwerten. Er rettete damit seinen Abend und in gewisser Weise auch den des Publikums: Trotz des zwischenzeitlichen 3:2 durch Salihovic‘ berechtigten Handelfmeter wirkte der FCN in der Phase nach dem 3:1 eigentlich sicher und die drei Punkte nie wirklich in Gefahr.
Dies stellte auch den großen Unterschied zu anderen Spielen dar, die der FCN zuvor abgeliefert hatte. Obwohl vieles spielerisch Stückwerk bleibt, wurden die sich bietenden Chancen konsequent und ausreichend genutzt. Gleichzeitig scheint die Formkurve nicht nur bei Kiyotake, sondern auch bei einigen anderen (Gebhart, Cohen) nach oben zu zeigen. Dafür sprechen die vier Tore, vor allem aber auch die zweite Halbzeit, in der zielstrebig Fehler und Räume, welche die Gäste anboten, ausgenutzt wurden. Daher war der Sieg des Glubb auch verdient. Nicht, weil er sich in einen Rausch gespielt hatte – das trifft nur auf Hiroshi Kiyotake zu – sondern weil er eindeutig besser und nachdrücklicher war. Eine Qualität, die den Gästen fehlte und die letztlich dafür sorgte, dass der FCN nun vier Punkte vor dem Relegationsrang liegt. Setzt der FCN den eigenen Nachdruck auch offensiv konsequent um, es könnte sogar eine Entwicklung hin zum echten Spektakel geben. Wünschenswert wäre es.