Einfach drin – 1. FC Nürnberg – FSV Mainz 05 3:3 (2:2)
Vielleicht hätte Dieter Hecking unter der Woche die Frage nach einer ersten kleinen Krise nicht ganz so schnell, nicht ganz so barsch zurückweisen sollen. Am Samstagnachmittag nach dem Abpfiff hätte er zumindest eine zusätzliche Erklärung parat gehabt neben der Aussage, dass die Verunsicherung „einfach drin“ war. So einfach drin wie drei Torschüsse der Gäste im Tor von Alex Stephan, aber auch so einfach drin wie Robert Mak im Strafraum des FSV Mainz 05. Der Slowake stach aus einer schwachen Club-Mannschaft heraus wie ein Goldklumpen aus einem Berg von Kohle und war ausschlaggebend dafür, dass am Ende trotz größtenteils schwachen Spiels am Ende ein Punkt für den FCN zu Buche stand.
An ein derartiges Urteil hatte nach 20 Minuten wohl keiner im Stadion gedacht. Der Glubb lag nach zwei Toren aus den ersten beiden Torchancen mit 2:0 in Front; die Mainzer waren nach drei Niederlagen sichtlich verunsichert; weitere FCN-Tore schienen nur eine Frage der Zeit. Es war als ob die Mannschaft den Beweis antreten wollte, dass sie auch aus dem Spiel Tore schießen könnte, dass sie die Lehren aus dem Gladbach-Spiel gezogen hätte. Schnelles, präzises Angriffsspiel sorgte für zwei – vor allem in der Entstehung – sehenswerte Treffer. Einmal öffnete Klose mit präzisem langen Anspiel auf Chandler die Abwehr, das andere Mal leitete Chandler selbst mit seinem unglaublichen Tempo den Konter und damit das Tor ein.
Doch genauso schnell wie die Führung zustande gekommen war, verschwand sie auch wieder. Zweimal Standard von außen, zwei Mal völliges Chaos in der Hintermannschaft, zweimal Tor für Mainz. Schon ab dem ersten Gegentor aber war die Verunsicherung in der Hintermannschaft deutlich zu spüren. Von der Sicherheit der ersten sechs Spiele war nichts zu sehen, stattdessen sah vieles nach einer Wiederholung der Defensivleistung der Vorwoche aus. Vor allem dann, wenn die Mainzer mit Tempo gegen die Abwehr des FCN ankamen, tat diese sich schwer damit zurecht zu kommen.
Besonders augenscheinlich wurde dies beim dritten Treffer der Mainzer kurz nach der Pause. Aus einer Großchance für Robert Mak zum 3:2 entwickelte sich direkt das Tor zum 2:3. Die Mainzer eroberten den von Heinz Müller abgeprallten Ball und schickten ihn flott auf die Reise in Richtung Glubb-Tor. Risse nutzt den sich bietenden Platz und flankt nicht energisch genug attackiert von Pinola in die Mitte, wo Simons und Chandler den Raum decken, nicht aber den frei stehenden Ivanschitz und Wollscheid völlig verloren im Niemandsland steht. Es ist logisch, dass bei einem Konter nicht die selbe Ordnung herrscht, wie bei einem geordneten Spielaufbau. Bei der Betrachtung des 2:3 scheint es so aber als würden die Defensivspieler unterschiedliche Systeme spielen, unterschiedlich tief stehen und so den Mainzern zu viel Platz lassen.
Diese Unordnung und fehlende Klarheit im Spiel durchsetzte fast die gesamten zweiten 45 Minuten. Zu keinem Zeitpunkt wirkte die Defensive gefestigt, es schien so als fehlte die ordnende Hand auf dem Platz, immer wieder standen die Verteidiger falsch, nicht auf einer Linie oder generell zu tief. Ob dies nun die Verunsicherung auslöste oder Zeichen der Verunsicherung war, lässt sich nicht abschließend beurteilen, die Verunsicherung ist aber so oder so zu attestieren.
Verstärkt wurde diese Verunsicherung sicher auch durch das äußerst kritische Publikum. Angelockt durch das überragende Spätsommerwetter, durch die frühe Führung in Erwartung eines Schlachtfestes versetzt, begann es bereits als der FCN noch führte zu pfeifen, bedachte über weite Strecken des Spiels auch kleinere Fehler mit gellendem Pfeifkonzert. Dies darf natürlich nicht als Ausrede für das schwache Spiel herangezogen werden, es darf von Berufsfußballern auch erwartet werden gegen diese Pfiffe anzuspielen. Etwas mehr Zurückhaltung wäre in manchen Situationen dennoch wünschenswert gewesen, da gerade Spieler wie Alexander Stephan durch die Pfiffe sichtbar verunsichert wurden.
Dass die Pfiffe nach dem Schlusspfiff nicht die Oberhand hatten, lag daran, dass der Glubb in den letzten zehn Minuten durch einen Kraftakt doch noch zu verhindern wusste, dass er das Spiel verlor. Allen voran Robert Mak nahm das Spiel in die Hand, wollte zum Teil vielleicht sogar zu viel, sorgte aber mit seinen Tempodribblings für Gefahr im Gästestrafraum und leitete so auch den Ausgleich durch Tomas Pekhart ein.
Im Zuge des Torjubels zeichnete sich der Slowake dann gleich noch einmal aus, statt seine Vorlage mit dem feierbereiten Torschützen zu bejubeln, holte Mak den Ball aus dem Tor und wollte ihn möglichst schnell ins Spiel bringen, um das Spiel komplett zu drehen. Dies gelang nicht, es wäre – objektiv gesehen – auch des Guten zu viel gewesen. Doch dank des späten Treffers kann Dieter Hecking nun weiter jede Frage nach einer Krise zurückweisen. Es ist sein gutes Recht, wenn aber die Abwehrschwächen in zwei Wochen in Wolfsburg wieder zu Tage treten, wird er sich nicht länger mit „einfach drin“ behelfen können.