Elf Wadenbeißer müsst ihr sein – Hamburger SV – 1. FC Nürnberg 1:1 (0:0)
Dieter Hecking ist jünger als er aussieht, sein knorriges, oft verbissenes Minenspiel lässt den 46-jährigen oft zehn Jahre älter erscheinen. Kurz vor Schluss der Partie im Hamburger Volkspark aber wirkte der Trainer plötzlich mindestens fünfunddreißig Jahre jünger, als er spitzbübisch dem ins Aus rollenden Ball einen kleinen Stoß gab. Nichts dramatisches, nur ein minimales Ärgernis für den einwerfenden HSV. Dennoch verloren Gastgeber in Form von Guy Demel die Nerven und echauffierten sich, ob der eigentlich harmlosen Aktion. Eine Aktion fast schon sinnbildlich für das Spiel des FCN an der Alster. Nicklig, den Gegner entnervend, aber letztlich meist ungefährlich. Eine Spielweise die letztlich aber genügte, um einen verdienten Punkt aus Hamburg zu entführen.
Dass der FCN bissig und aggressiv zu Werke gehen wollte, war bereits an der personellen Ausrichtung zu merken: Statt Filigrantechniker Ekici Handwerkshaudrauf Eigler, statt Ballliebhaber Hegeler Wadenbeißer Cohen. Die Maßnahmen zeigten Wirkung, die Hamburger waren gezwungen das Spiel zu machen und hatten damit große Schwierigkeiten. Immer wieder zentral durch Simons und Cohen gestört mussten sie das Spiel auf die Flügel verlagern oder den Pass nach hinten suchen. Dadurch hatte die bislang oft wacklige FCN-Abwehrzentrale die Chance sich zu postieren und zu sortieren. So blieben die Chancen für den HSV aus dem Spiel heraus auf ein Minimum beschränkt.
Natürlich offenbarte die Strategie auch einige Schwächen, gerade Juri Judt ließ sich mehr als ein halbes Dutzend mal von Jansen und Pitroipa überlaufen – was er allerdings durch seine Kampfbereitschaft und einige Ballgewinne aufwog. Wären die beiden Hamburger in der Lage präziser flanken, die Stellungsfähigkeiten der zentralen Abwehr wären öfter geprüft worden. So aber wurde Raphael Schäfer lediglich nach einer Standardsituation überwunden, ein dummes wie ärgerliches Gegentor; ein einziges Mal stimmte die Zuordnung und Positionierung eben nicht. Mathijsen wusste es – mit etwas Glück -auszunutzen.
Doch im Gegensatz zu den beiden vorausgegangenen Saisonspielen war der Gegentreffer nicht das Todesurteil. Die bissigere, kampfbetontere Ausrichtung des FCN spiegelte sich nämlich auch darin wieder, dass die Mannschaft sich nicht durch einen Rückschlag aus dem Tritt bringen ließ. Im Gegenteil, das Spiel nach vorne wurde konzentrierter und die besseren Chancen nach dem 1:0 hatte der Glubb. Dies rückte Frank Rost, Torhüter des HSV in den Mittelpunkt. Zunächst rettete er wagemutig gegen Mike Frantz und riss sich dabei am Knie auf. Die blutende Wunde wurde längere Zeit behandelt.
Kurz darauf stürzte Rost erneut aus dem Kasten, ob er ohne Verletzung schneller oder geschickter gewesen wäre, bleibt dahingestellt, doch sein Herauseilen brachte Julian Schieber zu Fall. Javier Pinola verwandelte den gegebenen Elfmeter. Die Diskussion, ob der Elfmeter berechtigt gewesen sei, beherrschte die Diskussion nach dem Spiel, vernachlässigte aber weitgehend, dass der ideenlose HSV nicht verdienter drei Punkte beraubt wurde. Es steht außer Frage, dass Schieber die Einladung Rosts annimmt, dass Rost Schieber berührt aber ebenso.
Mit dem Blick auf Schieber wendet sich allerdings auch der Blick auf den Sorgenbereich des FCN. Trotz der Tatsache, dass der FCN das erste Mal seit 2004 wieder in allen drei Bundesligaspielen ein Tor geschossen hat und auswärts ungeschlagen ist, fehlt der Offensive weiter echte Torgefahr. Symbolisch hierfür war Albert Bunjakus “Luftloch” in der 37. Minute. Nach einer schönen Kombination über Eigler und Schieber säbelte der Schweizer, der einen rabenschwarzen Tag hatte, freistehend über den Ball. Mehr Beweis, dass Bunjaku völlig ohne Form ist, benötigte es nicht. Es bleibt zu hoffen, dass Rubin Okotie bald fit ist, um den Konkurrenzkampf anzuheizen.
Gleichzeitig war Bunjakus Chance auch die wahrscheinlich beste heraus gespielte Aktion des FCN. Das Fehlen Mehmet Ekicis machte sich – aller gewonnenen Bissigkeit zum Trotz – durchaus bemerkbar, gerade weil Kreativpartner Gündogan entweder noch nicht fit war oder ob des Endes der Sommerferien andere Gedanken hatte. So erstickten viele potentielle Konter aufgrund von ungenauen Zuspielen und viele bessere Gelegenheiten hatten so überhaupt nicht die Möglichkeit sich zu entfalten. Hier muss eine Weiterentwicklung stattfinden, ansonsten bleibt der FCN nur bedingt konkurrenzfähig.
Denn obwohl der Punktgewinn in Hamburg genau das ist, ein Gewinn, zeigen die Leistungen und die Punktekonten der potentiellen und tatsächlichen Konkurrenten, dass der FCN möglichst schnell in Tritt kommen muss. Am besten gleich am kommenden Sonntag in Leverkusen, dann ist Dieter Hecking schon eine Woche lang 46 Jahre alt. Ob er danach älter oder jünger aussieht, liegt in den Händen seiner Spieler, einen Ball wird Hecking nach seinem Platzverweis in Hamburg so schnell nicht wieder wegtreten.