High Five fürs Einlaufkind – 1. FC Nürnberg – Hannover 96 3:1 (2:0)
Die Weihnachtszeit ist eine Zeit der Ruhe, des Nachdenkens, der Mitmenschlichkeit. Auf dem Fußballplatz allerdings bleibt für all dies wenig Zeit, umso erfreulicher ist es, wenn ein junger Spieler in seinem Startelfdebüt all diese Eigenschaften verkörpert. Philipp Wollscheid (21) blieb trotz seines ersten Einsatzes in der Bundesliga von Beginn an ruhig, verfiel nie in Hektik, spielte meist überlegt und umsichtig. Außerdem zeigte schon vor dem Anpfiff eine vorweihnachtliche Mitmenschlichkeit als er sich rührend um sein „Einlaufkind“ kümmerte, es am Ende sogar mit „High Five“ verabschiedete. Dass der FCN sein letztes Hinrundenspiel mit 3:1 gewann, lag natürlich nicht nur an Wollscheid, aber der Anteil des Saarländers lässt sich nicht leugnen.
Neben Wollscheid stach noch ein anderer Akteur hervor, der in der Hinrunde zwar schon zu zehn Einsätzen gekommen war, aber am Samstag erstmals die vollen 90 Minuten spielen durfte: Almog Cohen. Der 22-Jährige machte seinem Ruf als israelischer Gattuso alle Ehre, scheute keinen Zweikampf, grätschte mit vollem Einsatz und kaufte so den Gästen schnell den Schneid ab. Jenen Gästen, die über 90 Minuten nie erkennen ließen, wie sie zuvor fünf Spiele in Folge hatten gewinnen konnten. Dies war sicherlich auch der seit mehreren Wochen besten Mannschaftsleistung des FCN geschuldet, der in vielem so spielte wie vor der Niederlage in München, die aus mehreren Gründen einen deutlichen Knick in der Leistungskurve verursacht hatte.
Es gab seit langer Zeit einmal wieder sehenswerte Spielzüge in Richtung gegnerisches Tor, man kam daher auch zu weitaus mehr Torgelegenheiten als noch in den Vorwochen. Ebenso waren die eigenen Standardsituationen deutlich gefährlicher als noch in den Vorwochen. So gesehen fuhr Hannover mit dem 3:1 durchaus gut, gerade wenn man bedenkt, dass der Elfmeter zum 2:1 mehr als zweifelhaft war und Schlaudraff noch vor der Pause für seinen Tritt gegen Ekici zwingend vom Platz gestellt werden hätte müssen. Dass eben nicht mehr als drei Tore für den Glubb fielen lag neben der Chancenauswertung auch daran, dass das Offensivspiel trotz guter Ansätze immer noch unter den Sicherheitsvorgaben des taktischen Konzepts leidet.
Mehrmals war bei den Angriffen auffällig, dass im Strafraum ein zweiter Stürmer für größere Gefahr sorgen würde. Dies war vor allem in den Momenten auffällig, in denen Julian Schieber – fleißig und kämpferisch wie immer – auf die Flügel auswich. Bisweilen war dann gar kein Nürnberger Angreifer im Strafraum, teilweise rückten Gündogan und Hegeler nach, doch insgesamt blieb das Angriffsspiel gerade in diesen Szenen noch zu sehr Stückwerk. Auffällig war an diesem Nachmittag darüber hinaus auch, dass Ilkay Gündogan als zentrale Ballverteilungsstelle agierend, den Ball zu oft nach hinten verteilte oder den Ball unnötig lang hielt und so die Hannoveraner Abwehr Zeit hatte ihre Ordnung wieder herzustellen.
Es ist schwer zu sagen, ob diese Tempoverschleppung dem 20-Jährigen anzulasten ist, der sowohl das erste als auch das dritte Nürnberger Tor vorbereitete. Es durchaus vorstellbar, dass die Tempodrosselung auf Weisung von Trainer Hecking passiert, der im schnellen Spiel nach vorne eher die Gefahr des Gegenkonters sieht, als die eigene Chance. Es wird nicht zu klären sein und solange das Resultat stimmt wie am Samstag gegen Hannover, solange lässt sich die Verlangsamung des Spiels auch ertragen.
Dennoch sollten die Schwachpunkte trotz der guten Ausgangslage für die Rückrunde angesprochen werden, damit kein Super-Gau wie 2003 passiert, als in der Rückrunde lediglich neun Punkte geholt wurden. Die Gefahr scheint zwar gering, da die Mannschaft wesentlich stärker ist, eine Garantie ist dies jedoch keineswegs. Daher ist es auch von oberster Priorität die Mannschaft im Winter sowohl intern durch taktischen Feinschliff (Verteidigung von Standards, temporeiches Angriffsspiel) als auch extern durch ein oder zwei Neuzugänge (vor allem im Sturm) zu verstärken. Dann kann man auch 2011 als Bundesligist in der Vorweihnachtszeit Ruhe und Mitmenschlichkeit ausstrahlen.