Hail Mary – SC Freiburg – 1. FC Nürnberg 3:0 (1:0)
American Football ist, trotz des Namens, eine Sportart, die mit unserem Fußball nur rudimentär Gemeinsamkeiten hat. Benötigt dort eine Mannschaft kurz vor Schluss Punkte wird oft ein Spielzug angewendet, der den Namen „Hail Mary“ trägt. „Hail, Mary“ ist der englische Name des Ave Marias und die Bezeichnung soll ausdrücken, dass nur beten bei diesem Spielzug hilft. Denn der Ball wird einfach nur blind mit voller Wucht nach vorne geworfen, in der Hoffnung, dass ihn ein eigener Mann erhält. Der FCN spielte in Freiburg seine ganz eigene Art von American Football, immer wieder musste Timm Klose den Quarterback geben und den Ball lang nach vorne geben hoffend, dass eine Offensivkraft den Ball annehmen konnte. Wie im Football war die Erfolgsquote gering und wie Football hatte das, was der Club am Samstag in Freiburg bot, nur selten etwas mit Fußball gemeinsam.
So sind auch nicht die beiden Gegentore in der Nachspielzeit das Ärgerliche und Beängstigende an der Niederlage, sondern das systemische Totalversagen der Vorwärtsbewegung des FCN. Die vierte Niederlage in Folge konnte man eben nicht mehr – wie die vorhergehenden – auf individuelle Fehler schieben, sondern musste ein Kollektivversagen attestieren. Ein Versagen, das an diesem Nachmittag auch dem Trainer zu attestieren ist, der nicht in der Lage war, die Mannschaft auf aggressive, unangenehme Freiburger einzustellen und sie nach drei Niederlagen in Folge zu motivieren.
Jenem Trainer, der zwei gelernte Spitzen mit Polter und Pekhart aufgeboten hatte, Polter jedoch als Außenmittelfeldspieler eingeplant hatte. Eine Position, die weder Polters physischen Anlagen noch seinen fußballerischen Fähigkeiten zuträglich ist. Spät im Spiel als Polter dann in vorderster Front agieren durfte war er zumindest präsenter und hatte die beste Nürnberger Chancen im Spiel als er Torwart Baumann überlupfte und nur durch Mujdzas Rettungstag auf der Linie eines Treffers beraubt wurde.
Trotz einzelner Gelegenheiten wie dieser war die Spielgestaltung insgesamt äußerst mangelhaft. Sie wirkte ideenlos wie ein Wackelpudding auf einer Konferenz für Festkörperphysik, uninspiriert wie die Gedichte eines Buchhalters, ziellos wie ein Ortsunkundiger, der sich auf Apple Maps verlässt. Zu keinem Zeitpunkt war erkennbar welche Philosophie, welche Strategie, welche Idee dem Nürnberger Angriffsspiel zu Grunde liegen sollte. Entnervt vom frühen Stören der Freiburger wurde der Ball oft rückwärts oder quer geschoben. Mutige Pässe in die Spitze oder auf die Außen waren kaum zu finden, die Räume hinter den Freiburger Verteidigern wurden nahezu nie gefunden.
Auf Grund dessen wäre ein 0:0 schon das Best-Case-Scenario gewesen, eine Unaufmerksamkeit in der 36. Minute machte diese Hoffnung zunichte. Es war die erste einer Reihe von Szenen, in denen Timothy Chandler nicht gut aussah. Die Krönung fand sein Tag im Elfmeter, den er in der Nachspielzeit verschuldete, doch schon zuvor wirkte der amerikanische Nationalspieler so, dass er dringend eine Denkpause benötigte. Wüsste man es nicht besser, man wäre an das Herbsttief von Philipp Wollscheid im Vorjahr erinnert, dass sich erst löste als er seinen Wechsel nach Leverkusen bekanntgab.
Jener Wollscheid hat zumindest in der jetzigen Tiefphase einen würdigen Ersatz in Timm Klose gefunden. Der Schweizer war erneut der einzige Nürnberger der höheren Ansprüchen genügte und auch an seinem dritten Nebenmann in drei Spielen –Timmy Simons – ist die Niederlage nicht festzumachen, auch wenn die fehlende Antrittsschnelligkeit dem belgischen Mitdreißiger schon anzumerken ist.
Nein, die Innenverteidigung war im Breisgau nicht das Problem, die Anfälligkeit des FCN war eher in den instabilen Außen zu finden, eine Instabilität, die dadurch noch gefördert wurde, dass die Außenmittelfeldspieler insgesamt zu wenig Unterstützung nach hinten gaben. Gepaart mit der Formschwäche beider Außenverteidiger macht dies eine Anfälligkeit, die für eine Sorgenfalten und „Hail Marys“ sorgte. Überhaupt wirkte der gesamte Auftritt so als ob Beten nicht die schlechteste Alternative wäre, Hoffen wirkt im Gegenzug dazu fast irrational.