Halbfinale – Hamburger SV – 1. FC Nürnberg 4:0 (3:0)
Seit fast zwei Jahren nun finden sich an nahezu jedem Wochenende hier Spielberichte; immer in der Bemühung die Emotionen soweit es geht hinten anzustellen und trotz aller Freude oder Enttäuschung die Gründe für Erfolg und Misserfolg darzustellen. Das Wort „Ich“ dürfte in diesen zwei Jahren kaum gefallen sein. Doch nach dem 0:4 in Hamburg ist es mit Neutralität und dritter Person vorbei: Ich bin entsetzt, ich bin sauer, ich bin frustriert. Ich frage mich: Wie kann man so dermaßen blutleer und völlig ohne erkennbaren Willen auftreten?
Spätestens nachdem ein völlig übermüdetes Hamburg die Nürnberger Leihentruppe auseinander genommen hat, muss jedem klar sein: Das wird nix. Kein Feuer, nur Fehlpässe. Kein Kampf, nur Kokolores. Keine Torgefahr, nur Trara. Über 90 Minuten kein einziger ordentlicher Angriff, stattdessen Ballstafetten mit eingebautem Rückwärtsdrall, null Bewegung im Spiel nach vorne; schlicht und ergreifend desolat.
Über die Gründe für all diese Probleme ist an dieser Stelle schon mehrfach, man kann fast sagen, immer wieder, geschrieben worden. Zum Teil, wie in Sachen fehlende Torgefahr, sogar schon seit Ende der Aufstiegssaison. Dennoch waren die Verantwortlichen – beide Trainer und der Manager – nicht fähig die Probleme, die viele im Umfeld sahen, anzugehen. Immer wieder wurde das Gefühl „Das wird schon irgendwie“ vermittelt. Genauso hört es sich auch jetzt noch an, wenn Dieter Hecking nun davon spricht, dass man jetzt ja das Endspiel erreicht habe.
Erwartet er bei dieser Aussage fröhlich „Finaaaaaaaale … oho“ singende Clubfans? Er verschließt damit nicht nur die Augen vor der Realität, dass der FCN eine erschreckend schwache Quote in Abstiegsendspielen hat, sondern verdrängt auch, dass seine Mannschaft in der ganzen Struktur nicht endspieltauglich ist. Der Mannschaft fehlt es an Struktur, an Führung, an Erfahrung. Spielt man im Mittelfeld ist das zu verschmerzen, doch im Abstiegskampf gibt es nichts Wichtigeres. Wer also soll nun im Abstiegsendspiel gegen Köln die Führung übernehmen?
Einer der sechs Leihspieler, die nach der Saison wieder nach Hamburg, Leverkusen, München oder London zurückkehren? Einer der erfahreneren Abwehrspieler, die seit Wochen ihrer Form hinterher laufen? Einer der Stürmer, die nicht treffen? Einer der jungen Mittelfeldspieler, die dem Druck sichtbar nicht gewachsen sind? Die Antwort muss leider lauten, dass es im ganzen Kader eben keinen gibt, der nun das Heft in die Hand nehmen wird, der den Mitspielern den Marsch bläst, der wachrüttelt, der Gras frisst, der alle Führungsspieler-Klischees bedient.
Das 0:4 gegen den HSV in der Hinrunde war Michael Oennings vorletztes Spiel, es ist gut möglich, dass auch Dieter Heckings vorletztes Spiel ein 0:4 gegen Hamburg war. Glaubte man phasenweise, dass er der Mannschaft endlich Stabilität gegeben hat, schafft er es in der entscheidenden Phase nicht, der Truppe Ängste zu nehmen. Es mag sein, dass die Ängste in der Mannschaft so groß sind, weil das Wissen über die eigenen beschränkten Möglichkeiten präsent ist. Doch das zu verhindern ist Aufgabe des Übungsleiters. Das hat er nicht geschafft.
So bleibt am Ende des Spieltages die leise Hoffnung auf ein Wunder im „Abstiegsendspiel“, doch sorgenfreie Kölner sind nicht einfacher zu spielen als Europa League geschädigte Hamburger und der Abwärtstrend ist offensichtlich. Ein kleiner Teufel auf meiner linken Schulter sagt: „Hoffentlich steigen sie gleich ab und verlängern das Leiden nicht durch zwei Relegationsspiele.“ Der Engel auf der rechten Schulter schweigt