Im Krieg stirbt die Wahrheit zuerst

Im Krieg stirbt die Wahrheit zuerst

„Kriegsähnliche Zustände“ – mit diesen Worten kommentierte FCN-Vorstand Ralf Woy die Ereignisse unmittelbar nach Abpfiff des Pokalderbys gegen die Spielvereinigung Fürth. Ohne die Vorfälle in irgendeiner Weise gutheißen zu wollen, muss man eindeutig sagen, dass von den Platzstürmern keine körperliche Gewalt ausging, noch nicht einmal nennenswerte Sachschäden sind zu verzeichnen. Die vier in der undurchsichtigen Situation leicht verletzten Ordner sind selbstverständlich zu bedauern. Dass man versuchte, in Richtung Fürther Auswärtskurve zu gelangen, stellt zweifelsohne eine grobe Dummheit dar, die jedoch wohl auch den Emotionen des Moments und einer gewissen Gruppendynamik geschuldet sind, wie man sie häufig in emotional aufgewühlten Menschenmassen finden kann.


Was Herr Woy vor allem erreichte, war eine Ablenkung von der sportlich und historisch unverzeihlichen Vorstellung gegen den wichtigsten und ältesten Rivalen des 1. FC Nürnberg. Ja, man kann ein Derby verlieren: Vor unglücklichen Gegentreffern, Fehlentscheidungen und Zufällen ist keine Mannschaft der Welt sicher. Mit einer derart blutleeren, desinteressierten und unmotivierten Leistung wie an diesem 20.12.2011 hat die junge Mannschaft des FCN jedoch nicht nur ihre eigene Ehre verspielt, sondern auch den Fans ihre Würde geraubt. Im persönlichen Umfeld werden viele Clubanhänger über Monate hinweg mit dieser Niederlage konfrontiert werden, auch in den Medien wird der FCN in nächster Zeit als „Derbyversager“ kursieren. Während die Spieler vielleicht schon im Sommer ein anderes Emblem auf dem Herzen tragen, müssen wir mit der Schmach weiterleben.


All dies muss gesagt werden, nachdem Herr Woy versuchte, die Ereignisse des gesamten Abends auf diesen einen dummen Vorfall, der keine 5 Minuten dauerte, herunterzubrechen. Sein Vergleich mit „kriegsähnlichen Zuständen“ ist in vielerlei Hinsicht inakzeptabel: In vorauseilendem Gehorsam wird beim DFB, der sich in letzter Zeit sowieso schon durch unverhältnismäßige Strafen gegen Vereine wegen – mal mehr, mal weniger berechtigten – Krawallvorwürfen hervorgetan hat, geradezu um eine möglichst harte Bestrafung gebettelt. Dieses Verhalten darf eindeutig als vereinsschädigend angeprangert werden.


Darüber hinaus trifft sein Vergleich auch diejenigen hart, die jetzt oder in der Vergangenheit tatsächlich in Kriege verwickelt waren, darunter auch zahlreiche Clubfans (historisch gesehen sogar Spieler). Was muss ein aus Afghanistan zurückkehrender Soldat wohl fühlen, wenn das Betreten des Innenraums mit Krieg gleichgesetzt wird? Hier mangelt es nicht nur an Feingefühl; es liegt vielmehr eine eklatante Fehleinschätzung der Außenwirkung dieser Wortwahl vor.

Der 1. FC Nürnberg hat gestern mehr verloren als nur ein Fußballspiel. Dies muss den Verantwortlichen klar gemacht werden. Nicht die Fans, die sich wochenlang auf das Spiel gefreut haben, stundenlang für Tickets anstehen mussten (auch deshalb, weil der Club bis heute kein zeitgemäßes Ticketing auf die Beine stellen konnte), Urlaub für das Spiel nehmen mussten und – im Fall von UN – sich tagelang mit einer begeisternden Choreographie beschäftigten, tragen Schuld am gestrigen Versagen!

Stellungnahme der IG Zukunft