Punkt trotz Konditionsmängeln – 1. FC Nürnberg – Hamburger SV 1:1 (0:0)
Die wichtigste, die dominierende Frage am ersten Spieltag des Jahres 2013 war für alle im Stadion vor allem die, wie anders der FCN denn unter dem neuen Trainer-Gespann Michael Wiesinger/Armin Reutershahn aussehen würde. Vergleicht man das Resultat des ersten Spiels unter den neuen Chef-Trainern mit dem letzten Spiel unter dem alten, so könnte man meinen, es habe sich gar nichts verändert. In beiden Fällen stand am Ende ein 1:1 gegen einen Nordclub zu Buche und ebenso war der Club in der Abwehr beide Male eher mit dem Pfosten als mit der eigenen Ordnung im Bunde. Doch es war nicht alles gleich, denn das neue Trainergespann wartete mit einigen Überraschungen auf.
Die größte Überraschung bot – zumindest auf den ersten Blick – sicherlich die Aufstellung, die „Wiesehahn“ ins Rennen schickten. In der Startelf fehlte nicht nur Per Nilsson krankheitsbedingt – für ihn rutschte Timmy Simons in die Innenverteidiung, sondern auch Markus Feulner, der unter der Woche angeschlagen gewesen war, und Hiroshi Kiyotake, von dem nichts Derartiges bekannt war. Allerdings zeigte der Japaner nach seiner Einwechslung in fünfzehn Minuten eine derart desolate und orientierungslose Leistung, dass von irgendeiner Art von Verletzung und/oder Krankheit auszugehen sein muss.
Anders ließen sich weder Nicht-Aufstellung noch Leistung schlüssig erklären. Es sei denn, Kiyotake hatte im Training genauso agiert, wie in der Viertelstunde auf dem Platz, dann hatte das Trainergespann recht, ihn nicht einzusetzen. Statt des Japaners spielte Gebhart in der Offensivzentrale, flankiert von Mak und Esswein, offensiv unterstützt von Pekhart, defensiv abgesicht von Balitsch und Cohen. Wobei Balitsch tendenziell vor dem Israeli, der einen echten Ausputzer gab, agierte. Spielerisch änderte sich allerdings im Vergleich zu den Auftritten unter Hecking in der ersten Halbzeit wenig.
Defensiv ließ man wenige Chancen der Hamburger zu, indem man früh und aggressiv störte, offensiv kam man allerdings kaum zu Gelegenheiten. Lediglich ein Freistoß von Mak auf Balitsch und ein Traumpass von Balitsch auf Mak sorgten für Torgefahr. Die einzig sichtbare – und durchaus überraschende – Veränderung war, dass Javier Pinola sich viel häufiger ins Angriffsspiel einschaltete. Zur Pause wäre ein Urteil im Stile von „Nicht besser, aber auch nicht schlechter“ durchaus angebracht gewesen. Möglicherweise hätte man es um ein „etwas aktiver und weniger reaktiv“ ergänzen können. Das hätte aber vor allem für die Phase zwischen 30. Und 45. Minute gegolten.
Dieses ließe sich nach der Pause so nicht mehr halten. Zu sehr gerieten die Nürnberger nun ins Hintertreffen. Die Hamburger hatte umgestellt, gingen aggressiver und früher in die Zweikämpfe, pressten aktiver, ganz ähnlich dem Agieren des Clubs in Halbzeit Eins. So kam der HSV dann auch zu mehreren hochkarätigen Chancen, bei denen sich ein deutliches Problem in der Defensive auftat.
Dadurch, dass die Außenverteidiger in der neuen Ausrichtung sich öfter mit nach vorne einschalteten und insgesamt etwas höher standen, stießen die Hamburger nun mit Vorliebe in die sich dort bietenden Räume vor. 19 Flanken – zwölf über die linke, sieben über die rechte Abwehrseite – standen am Ende für den HSV zu Buche; zum Vergleich, der FCN schaffte deren fünf. Es war also kein Wunder, dass das Hamburger Führungstor nach Aogos Flanke von links auf den Kopf von Rudnevs fiel.
Auch der Zeitpunkt des Tores war nicht allzu überraschend, da fünf Minuten zuvor der für die rechte Abwehrseite, über die das Tor gefallen war, zuständige Timothy Chandler mit Verdacht auf Gehirnerschütterung ausgetauscht werden musste. Daraus ergab sich für die Nürnberger Trainer zwangsläufig ein weiterer Wechsel. Denn mit Feulner und Mak wäre die rechte Seite zu offensiv ausgerichtet gewesen und der gelernte Mittelfeldspieler Feulner hätte wahrscheinlich defensiv gar keine nötige Unterstützung erfahren. So musste Mak, dem defensiveren und kämpferischeren Frantz weichen.
Zum Unwillen der Publikums, aber taktisch nachvollziehbar, noch viel mehr unter dem Eindruck der durch eben jene fehlende Unterstützung entstandenen Großchance in der Minute nach der Auswechslung, als Pinola an den eigenen Pfosten „rettete“. Doch wirklich effektiv zeigte sich der in der Theorie sinnvolle Wechsel nicht, da sowohl das Tor als auch mehrere Großchancen in der Schlussphase über die neuformierte rechte Seite fielen.
Doch wer nun mit einem Einbrechen der Mannschaft gerechnet hatte – immerhin hatte der FCN bisher aus den acht Spielen, in denen man in Rückstand geraten war (gegen Frankfurt, Stuttgart und München, in Hannover, Freiburg, Schalke, Mainz und Leverkusen), nur einen Punkt geholt – der sah sich getäuscht, plötzlich bäumten sich die Spieler auf, wehrten sich gegen die Niederlage und kamen postwendend zum Ausgleich. Gebhart tankte sich auf der Seite durch, legte auf Pekhart zurück, der erzielte sein zweites Saisontor.
Mit dem Ausgleich verschwand aber der Elan so schnell wie er gekommen war und nun schien sich auch noch Müdigkeit breit zu machen. Die Mannschaft wirkte körperlich nicht mehr auf der Höhe, spielte unkonzentriert und fahrig und ließ nun eine Reihe von groß- und Größtchancen des HSV zu. Diese machten jedoch allesamt entweder der Pfosten oder Raphael Schäfer, der seine hervorragenden Reflexe unter Beweis stellen konnte, zunichte.
So kam der FCN am Ende im Debüt für Wiesinger/Reutershahn zu einem Punktgewinn, der ein wenig glücklich war. Sorgen macht aber nicht das Ergebnis (der Abstand auf Rang 16 ist bei acht Punkten geblieben), sondern die fehlende Konzentration und Kondition am Ende der Partie. Ist dies nur ein Zeichen einer harten Vorbereitung, so ist die vernachlässigbar; ist dies jedoch ein Zeichen eines physisch zu laschen Trainings, dann war der Wechsel einer zum schlechteren und wurde die Chance beim Wechsel vertan.