Selbstbild/Fremdbild – FC St- Pauli – 1. FC Nürnberg 0:4 (0:2)
Manchmal klaffen Fremd- und Selbstbild eklatant auseinander: Die meisten Clubfans stuften ob der Serie von nur einem Sieg aus den letzten sieben Ligaspielen die eigene Mannschaft eher schwach ein. Ewald Lienen, Trainer des Gegners, sprach ob der Tatsache, dass der FCN vor dem Duell am Millerntor seit Mitte September nur eines von zehn Pflichtspielen verloren hatte, von einer Top-Mannschaft. Am Sonntagnachmittag schien Lienens Einschätzung näher an der Wahrheit. Der Club lieferte in Hamburg eine unerwartete Gala ab und gewann mit 4:0.
Jene Gala hatte ihre grundlegende Ursache natürlich einmal mehr in der gnadenlosen Effizienz der Offensive: Aus mehr oder weniger vier Chancen erzielte der Club vier Tore. Das lag daran, dass Niclas Füllkrug den gesperrten Guido Burgstaller in seiner Funktion als Torjäger ersetzte, aber auch daran, dass die wenigen Angriffe, die ihren Weg vors Tor fanden, auch exzellent ausgespielt wurden. Sowohl die Kombination von Möhwald und Brecko, die zu dessen Flanke vor dem 1:0 führte, als auch Schöpfs Pässe vor 2:0 und 3:0 ließen eine Spielkultur erkennen, die im ersten Saisonviertel noch als utopisch hätte erachtet.
Gleichzeitig war die Gala aber auch aus einer Stärke geboren, die der FCN in dieser Saison noch kaum hatte zeigen können. Er spielte defensiv unglaublich kompakt. Gerade in der Zentrale hatte St. Pauli über 90 Minuten kein Durchkommen gegen den Club. Das lag daran, dass Behrens, Erras, Bulthuis und Margreitter sehr sicher standen und kaum Bälle ankommen ließen. Es lag aber auch daran, dass die Außen nicht zum Einfalltor wurden, so wie in den letzten Wochen immer einmal wieder vorgekommen war.
Es ließe sich auch so zusammenfassen, dass der Club in Hamburg einfach eine geschlossene Mannschaftsleistung bot. Er baute auf dem Positiven der letzten Wochen in der Offensive auf und minimierte gleichzeitig das Negative in der Defensive. Die Steigerung dürfte aber auch mit der Wiederhereinnahme von zwei Akteuren zu erklären sein, die am Montag noch in der Startelf gefehlt hatten. Kevin Möhwald, am Montag nach seiner Einwechslung schon für den Sieg mitverantwortlich, setzte die Hamburger im Spielaufbau immer wieder früh unter Druck. Gleiches gilt für Tim Leibold, der noch dazu beim spielentscheidenden 3:0 unglaubliche Kaltschnäuzigkeit vor dem Tor zeigte.
An diesem Nachmittag fiel aber eigentlich kein Spieler in Reihen des Clubs besonders ab. Es war ein Spiel, das der Club souverän nach unten spielte. Selbst in den Phasen nach dem 3:0 als der FCN so tief stand, dass man ihn im Kellergeschoss des neben dem Stadion stehenden Flakturm IV vermuten hätte können, blieb er in Kontrolle des Spiels. Das der Tabellendritte nicht ins Spiel fand, lag eben hauptsächlich an der Stärke des Gegners und nicht an der eigenen Schwäche. Selbst als kritischer FCN-Fan hatte man an diesem Nachmittag wenige Argumente gegen Lienens Fremdbild „Topteam“.
Der Saisonverlauf bietet da sicherlich mehr Stoff um die Selbstbild nicht ins Wanken zu bringen, doch leugnen lässt sich der Fortschritt nicht, den die Mannschaft in den letzten Wochen gemacht hat. Niclas Füllkrug sprach nach dem Spiel davon, den Lauf fortsetzen zu wollen. Genau dies muss die Aufgabe nun auch sein, eine Fortsetzung der Serie in den kommenden drei Heimspielen in Folge wäre das perfekte Weihnachtsgeschenk für die gebeutelten Clubfans und würde das Selbstbild sicher positiv verändern.