Stärke ist immer die Schwäche des Andersspielenden – 1. FC Nürnberg – VfL Wolfsburg 2:1 (1:1)
Der einfachste Weg die Leistung eines Siegers zu schmälern besteht darin die Leistung des Unterlegenen schlecht zu reden. Nur weil der Gegner so schlecht gewesen wäre, sei der eigene Erfolg möglich gewesen, die Verlierer hätten nur einen schlechten Tag gehabt, gegen einen anderen Gegner wäre der Sieg nicht so einfach zu erreichen gewesen. Derartige Aussagen sind sicherlich auch nach dem Erfolg des FCN gegen den VfL Wolfsburg gefallen. Allein, sie sind falsch. Der Erfolg lag in der eigenen Stärke begründet, in der Aggressivität, dem Willen und Einsatz, aber auch im Selbstbewusstsein zu Hause schon andere geschlagen zu haben.
Zu sehen war all dies bereits in den ersten Spielminuten. Der FCN betrat den Platz personell fast unverändert im Vergleich zum Spiel am Millerntor (Frantz übernahm für Eigler), doch mental lagen Welten zwischen den Spielern. Von Anpfiff an vermittelten die Glubb-Spieler den Eindruck, dass dies ihr Haus ist und in ihrem Haus gelten ihre Regeln. Die Gäste kamen mit dem starken Druck, dem frühen und kontinuierlichen Angreifen nie zurande, wirkten phasenweise völlig überfordert mit dem Spiel des FCN.
Krönung der unnachgiebigen, nissigen Spielweise des FCN war die Führung nach elf Minuten als Julian Schieber dem Wolfsburger Hasebe einen eigentlich schon verlorenen Ball abnahm und ihn in Richtung Ilkay Gündogan stocherte. Der Deutsch-Türke nahm an seinem letzten Tag als 19-jähriger genau Maß und setzte den Ball ins untere linke Toreck. Hätte Gündogan in der 63. Minute ähnlich genau gezielt, Mike Frantz‘ Schritt in den Schuss hätte womöglich eher Schaden angerichtet, so lenkte er den Ball entscheidend ins Tor.
Der verdiente Lohn für die bessere Mannschaft, die zwischen den beiden Toren nur eine einzige Unaufmerksamkeit in der Defensive hatte. Diese aber wurde von den individuell starken, wahrscheinlich sogar besser besetzten, Wolfsburgern gnadenlos ausgenutzt. Der sonst völlig abgemeldete Diego spielte einen Ball in den Rücken von Judt, Marcel Schäfer war schneller als der gebürtige Kasache. Wolfsburgs Schäfer brachte den Ball dann scharf in die Mitte, wo Grafite eine Millisekunde vor Pinola den Fuß an den Ball brachte und den Ball durch die Beine von Nürnbergs Schäfer schob.
Es sollte die einzige wirkliche Unsicherheit der FCN-Abwehr bleiben, die im restlichen Spielverlauf so sicher stand, wie in den beiden Heimspielen zuvor. Auch andere Dinge erinnerten an die Heimspiele gegen Schalke und Stuttgart: Vom Ausgleich unbeirrt, nur kurz irritiert, spielte der Glubb sein Spiel weiter, drängte, drückte, zeigte den unbedingten Siegeswillen und darüber hinaus wie viel spielerische Möglichkeiten im Team stecken. Dass die Möglichkeit und nicht die Tatsächlichkeit betont werden muss, ist wahrscheinlich das einzige Manko des Spiels.
Das Spiel wäre längst vor Abpfiff entschieden gewesen, wäre die Genauigkeit in den Anspielen in der Vorwärtsbewegung vorhanden gewesen. Mehrere Male blieben Pässe unnötigerweise an Wolfsburger Abwehrbeinen hängen, landeten knapp hinter oder knapp vor dem Laufweg eines Mitspielers. Dies und die Tendenz das Spiel im Angriffsviertel etwas zu sehr zu verschleppen, verhinderten ein 3:1 oder ein 4:1. Am Ende fielen die Mängel nicht ins Gewicht, weil der positive Eindruck und die Freude über die drei Punkte dennoch überwiegen.
Die Mannschaft baut, geleitet von einer klaren – nicht spektakulären – taktischen Ausrichtung, ihre Heimserie auf drei 2:1-Siege in Folge aus und macht dabei inzwischen sogar phasenweise Spaß. Es ist vielleicht nicht der allerhöchste Augenschmaus, doch zu sehen wie aggressiv Juri Judt um jeden Ball kämpft, wie Julian Schieber seinen Körper in die Bresche wirft und Javier Pinola rennt und rennt und rennt, erfreut das Herz des FCN-Fans, der schon genug lustlose Spieler auf dem Feld erleben musste, mit Freude. Wenn dann auch noch das Ergebnis stimmt, dann ist alles in Ordnung.