Vogelwildes Mittelmaß – 1. FC Union Berlin – 1. FC Nürnberg 3:3 (1:1)
Nicht zum ersten Mal hinterließ der Club die Zuschauer ratlos. Was soll man jetzt mit diesem Ergebnis anfangen? Ärgern über die mit dummen Fehlern weggeworfene Führung? Freuen über den Punkt nach 1:3? Eine Einordnung des Spiels fällt extrem schwer, da so grundsätzlich gegensätzliche Eindrücke die Wahrnehmung bestimmen. Wahrscheinlich ist es so am besten zusammengefasst: Das vogelwilde Spiel zweier vogelwilder Defensiven findet am Ende ein vogelwildes Ergebnis: 3:3.
Dabei hatte der Club eigentlich gut ins Spiel gefunden. Mit energischem Pressing Union zu vielen Ballverlusten gezwungen. Immer wieder landete der zweite oder dritte Ball bei den Gästen. Das 1:0 durch ein kurioses Doppel-Hacken-Eigentor war daher durchaus folgerichtig, wenn auch in der Entstehung extrem kurios. Eine Leibold-Flanke leitete Behrens mit der Hacke weiter an Leistners Hacke und von dort kullerte der Ball ins lange Eck. Es sollte nicht der einzige kuriose Treffer des Spiels bleiben.
Union musste sich nach dem Treffer kurz schütteln, richtig ins Spiel zurück fanden sie aber nicht ohne Zutun des FCN. Ein unnötiges Foul fünfzehn Meter vor dem eigenen Strafraum, ein quergelegter Freistoß, auf den alle schlecht reagieren, ein leicht abgefälschter Ball den Thorsten Kirschbaum nicht festhalten kann, ein Stürmer, der schneller reagiert als Dave Bulthuis. Die Kette zeigt wie viel zusammenkam, um Union ins Spiel zurückzuholen. Unterbrechen hätte sie jeder können, v.a. aber Torwart Kirschbaum, dessen Fehler nur mit der Beschreibung „eklatanter Patzer“ versehen werden kann.
Union war zurück im Spiel und dominierte es nun auch. Der Club tat sein Bestes, um dies nicht zu verhindern, ermutigte die Berliner durch zahlreiche unnötige Fouls sogar. Immer wieder kam es so zu gefährlichen Situationen, die vor der Pause allesamt noch glimpflich ausgingen. Der Club hatte den sprichwörtlichen Faden nicht verloren oder abreißen lassen, er hatte ihn mit einem Laserstrahl pulverisiert. Dies änderte sich auch nach der Pause nicht. Im Gegenteil.
Binnen kürzester Zeit war die Club-Defensive zweimal völlig indisponiert, kam einmal bei einem Konter mehrfach nicht in die Zweikämpfe und kassierte das 2:1. Auch in diesem Fall sah Thorsten Kirschbaum zumindest nicht glücklich aus, ließ sich von Skrzybskis Schuss überlisten. Kurz darauf standen Bulthuis und Behrens bei einer Ecke nicht nah genug an Puncec, Kirschbaum blieb in seinem Gehäuse, in das dann auch der Ball zum 3:1 flog. Das Spiel schien gelaufen.
Dass hierauf noch der zweite Punktgewinn der Saison nach zwei Toren Rückstand folgen würde, war nicht abzusehen, der Club war völlig von der Rolle, wirkte mausetot und würde dann von Alessandro Schöpf wieder erweckt. Der Österreicher packte in der 68. Minute ein Wahnsinnssolo aus, das man in dieser Form von ihm gerne öfter sehen würde. Er tanzte sich in vollem Lauf an zwei Berlinern vorbei und schloss trocken ins kurze Eck ab. Es war das schönste Tor des Nachmittags.
Das wichtigste aus Club-Sicht fiel dann zehn Minuten später. Blum setzte einen Freistoß an die Latte, Patrick Erras stocherte den Abpraller über die Linie, das Spiel hatte seine erneute Wendung erhalten. Es ist ein wenig ironisch, dass Patrick Erras in seinem schwächsten Profispiel sein erstes Tor machte, es war quasi die Wiedergutmachung für manchmal wenig griffige Zweikampfführung. Es wäre aber falsch die Last oder Schuld für das vogelwilde Defensivverhalten dem Jüngsten vor die Füße zu legen. Es war der gesamte Defensivverbund in der knapp 45-minütigen Schwächephase indisponiert und mit wenig Zugriff.
Dass es trotz der vogelwilden Defensive zu einem Punkt gereicht hat, spricht allerdings auch wieder für die Mannschaft, die sich einmal mehr zurückgekämpfte. Das lag zum einen daran, dass auch die Gastgeber eine vogelwilde Defensive zu bieten hatten und im Abspiel extrem unpräzise waren – 58% angekommene Pässe ist Negativwert für alle Club-Gegner der Saison. Zum anderen lag es aber auch an einer Moral, welche die Mannschaft nicht zum ersten Mal bewies. Wo die Mannschaft steht, macht diese Tatsache deutlich: In den letzten neun Pflichtspielen nur einmal verloren, aber auch nur einmal gewonnen und in der Liga seit sechs Spielen sieglos bei zuletzt vier Unentschieden am Stück. Mittelmaß, vogelwildes Mittelmaß.